Safety first! Das gilt ganz besonders auf 78° Nord. Die Umwelt hier ist weitaus lebensfeindlicher als man es wahrhaben möchte und somit liegt den Verantwortlichen in der Uni sehr viel daran uns Studenten bestmöglich vorzubereiten. Das gilt für private Trips wie auch Fieldwork.

Der Kurs beginnt um 8Uhr morgens ungefähr 2 Tage nach der Ankunft der meisten Studenten, um keinem die Chance zu geben auf dumme Gedanken zu kommen. Da im Gegensatz zum Herbstsemester alle Studenten gleichzeitig anfangen ist der Safety Course weitaus ausgedehnter und sehr gut organisiert. Man wird in Gruppen aufgeteilt und rotiert über 5 Tage alle verschiedenen Stationen durch. Jede Einheit beinhaltete einen Theorie und einen Praxisteil und dauerte einen kompletten Vormittag/Nachmittag. Am letzten Tag folgten die field-practicals wo die wichtigsten Dinge nochmal unter erschwerten Bedingungen (draußen, kalt, windig) als auch mit kleinem Szenario durchgeführt wurden.

Der erste Tag behandelte hauptsächlich wie man ein Notfallzeltlager aufstellt und wie man von dort aus auf sich aufmerksam machen kann. Dazu wurde in der Logistik die Notfallboxen auseinandergenommen und alles ausprobiert: Zelt aufbauen, Benzinkocher in Betrieb nehmen, Signallichter aufstellen, Eisbärstolperdraht aufbauen etc. Teilweise im Warmen, teilweise auch draußen in der Kälte. Dazu noch einige Schockfotos von Erfrierungen und Eisbärverletzungen zum Abrunden und zur Vorbereitung aufs Mittagessen.

Im Anschluss ging es zum Lawinentraining. Nach der Kälte sind Lawinen mit Abstand die größte Gefahr die einem auf Svalbard begegnen kann. Der letzte Todesfall durch einen Eisbären ist über 15 Jahre her, aber jedes Jahr sterben mehrere Menschen in Lawinen, meist Skifahrer oder Scooterfahrer die in verrückten Schleifen versuchen steile Berge hochzufahren (crazy locals). Erst mal die Theorie wie die Suchgeräte funktionieren und danach geht’s auch direkt raus. Ein Team versteckt die Suchbox für das andere Team und dann gibt es einen kleinen Wettkampf wer sie zuerst findet. Jeder hat einen Lawinenpiepser bei sich (ebenso essentiell wie ein Gewehr, ohne sollte man das Dorf nicht verlassen) dabei, stellt diesen auf Seachmode und dann gibt das Gerät grob die Richtung und Entfernung zum Signal an. Ist das Opfer grob lokalisiert nimmt man die Searchprobes und stochert solange im Schnee rum bis man die Box/Opfer trifft. Das Buddeln gestaltet sich dann äußerst interessant, denn nur wer die richtige Grabestrategie hat kommt schnell genug zum Ziel. Einen Kubikmeter Schnee zu bewegen ist auf den ersten Blick jetzt nicht die Welt, aber sobald man es tatsächlich ausführen muss ist man schnell frustriert.

Der zweite Tag startete mit “Glacier Rescue”. Da man auf Trips sehr oft Gletscher quert kann man auch jederzeit in eine Crevasse (Gletscherspalte) fallen. Wenn man das tut ist man so gut wie am Arsch, falls man nicht so tief fällt und sich vielleicht nur die Knochen bricht hat man ein gewisses Zeitfenster um gerettet zu werden bevor man erfroren ist. Im Glacierrescue Kit ist eine komplette Bergsteigerausrüstung und man lernt damit umzugehen und einen recht effektiven Flaschenzug zu konstruieren um sich zu einem Verletzten herabzulassen als auch wieder heraufzubringen.

Ebenso wurde später auf die Nutzung von Karten und GPS eingegangen. Dazu einen Einführungskurs Navigation und wie man mit Satellitentelefonen und Funkgeräten umzugehen hat. Sehr interessant war dann auch der Teil der auf lokale prominente Scooterstrecken einging.

Ein Erste Hilfe Kurs darf natürlich auch nicht fehlen. Stabile Seitenlage, Knochenbrüche fixen, Druckverbände etc. Im besonderen wird dann natürlich auch auf Unterkühlungen eingegangen (leckere Bilder werden einem da präsentiert)…

Auch wenn Eisbären nicht die primäre Gefahr sind die einem draußen begegnet so muss man doch jederzeit ein Gewehr bei sich führen wenn man das Dorf verlässt und deshalb ist ein Schießtraining verpflichtend für alle Studenten. Ich komme nicht umhin dem Schießtraining einen gewissen Spaßfaktor abzuringen auch wenn es eine etwas seltsame Situation ist. Im Gegensatz zu mir ist für viele Mädels das Schießen die reinste Qual und sie wollen es alle möglichst schnell hinter sich bringen und ballern einfach nur schnell die Munition raus ohne sich großartig anzustrengen (Ich weiß dann mit wem ich auf Trips gehe und wem nicht^^). Einige hatten hinterher auch feuchte Augen da sie mit dieser “gewalttätigen” Situation (das Schießen selber und ein Lektor der aufgrund der Ohrenschützer sehr laut reden muss) etwas überfordert waren. Auf 30m hab ich immer das Schwarze getroffen auch wenn die Löcher etwas streuen. Zur Selbstverteidigung reicht mir das.

Am letzten Tag der Theorie gab es noch eine Einführung in die Labore und wie man Fieldwork und Laborarbeit organisatorisch und HSE-gerecht ausführt. Der wohl mit Abstand langweiligste Part der Woche.

Der letzte Teil behandelte das Thema sea ice. Also wie man sich auf zugefrorenen Fjorden mit Snowscootern zu bewegen hat und wie man sich im Ernstfall retten kann. Dieser Teil war mit Abstand der “coolste” der ganzen Woche. Man geht in die Logistik, zieht einen Scooteranzug (Ganzkörperanzug gefüttert mit Daunen) sowie dicke Scooterboots an. Damit steigt man in ein uriges Ungetüm, einem Beltwaggon. Das sind quasi Snowscooter in groß mit riesigen panzerähnlichen Gummiketten. Damit geht’s ca. 2km auf einen nahegelegenen See namens Isdammen. Dort ist mit der Motorsäge ein großes Loch ins Eis gesägt worden und ihr ahnt sicher schon was kommt… Man kriegt sogenannte Icespikes um den Hals gehängt, das sind prinzipiell nur zwei schräg angeschnittene Rohre die mit einer Leine um den Hals gebunden werden. Fällt man ins Wasser kann man die spitzen Enden ins Eis rammen und sich daran aufs Eis ziehen. Jeder kriegt zur Sicherheit ein Seil um den Bauch und dann springt man ins Wasser. Die Stiefel laufen in null Komma nichts mit Wasser voll und ziehen einen wie Blei runter. Wer Glück hat wird nur bis zum Bauchnabel nass. Ich besaß “Können” und wurde nur bis zu den Oberschenkeln nass 😀 (Hängt davon ab wie viel Luft man im Anzug hat, wie gut man die Klettverschlüsse anzieht und natürlich wie schnell man wieder draußen ist). Da steht man dann nun mit Stiefeln die von oben bis unten voll sind und muss noch locker 15 Minuten warten bis jeder dran war. Die Füße werden erstaunlich schnell warm wenn man sich nicht bewegt da sich eine schützende Isolierschicht im Socken bildet. Da wir wussten was auf uns zukommt hatten wir (mal wieder) die UNIS-Sauna vorher angeschaltet und wärmten uns im Anschluss richtig auf.

Samstag war der letzte Tag unseres Trainings. Dieser Tag bestand nur aus Praxis, und so trafen sich alle morgens um 8 hinter den Barracken ein um eine kleine Wanderung ins Trainingsgelände zu unternehmen. An diesem Tag war man besser warm angezogen! Es gab drei Gruppen und ebenso viele Stationen: Emergency Tent Camp, Gletscherrettung und Lawinenrettung.

Zuerst ab ins Tent Camp wo einige Leute, unteranderem ich, zur Seite gebeten und eingewiesen wurden. Wir sollten die Opfer eines simulierten Scooterunfalls mit verschiedensten Traumata (Knochenbrüche, innere Blutungen, psychisch, etc.) spielen. Sprich: Jammern und auf dem Boden rumliegen… Die anderen Gruppen teilten sich auf, untersuchten uns Verletzte und machten Erste Hilfe. Die anderen bauten schon mal das Zeltlager auf, setzten den Benzinbrenner in Gang und heizten das Zelt an. Als unbeteiligter ein sehr interessanter Anblick da auch in einer simulierten Situation scheinbar keiner weiß was er machen muss. Mag daran liegen dass es viel zu viele Leute waren und sich alle nur auf den Füßen rumstanden. Ich denke in einer ernsten Situation läuft das weitaus besser!

Die zweite Übung bestand darin die Gletscherrettung auszuführen. Dazu wurde der Flaschenzug an einem geparkten Scooter als Anker festgemacht. Der Verletzte kriegt die sogenannte Rettungswindel umgeschnallt und den Berg hochgezogen. Ich hab sie selber nicht angezogen aber ich habe mir sagen lassen dass es tierisch auf die Eier geht!

Die letzte Übung war mit Abstand die anstrengendste: Lawinenrettung. Ein Szenario mit jeweils 2 Verschütteten, einer mit Lawinenpiepser, einer ohne und verschiedene Oberflächenhinweise wie verstreute Schuhe und Skistöcke. Die Opfer mit Piepser sind relativ schnell lokalisiert und mit etwas Glück kann man schon nach 3 Minuten mit dem Graben beginnen. Das zweite Opfer ist weitaus schwieriger zu finden und wäre es nicht so nah an der Oberfläche gewesen mit ziemlicher Sicherheit tot gewesen bis wir es geborgen hatten. Ich hatte das Gefühl diese Übung hatte auch etwas den Zweck uns so einen Schreck einzujagen dass keiner es wagt ohne Lawinenpiepser das Dorf zu verlassen (wobei vor 2 Jahren auch eine große Lawine auf den Weg der zur Uni führt runterging, aber da einen Piepser zu tragen wäre etwas übertrieben).

Im Anschluss kam noch der Helikopter des Gouverneurs vorbei um einen simulierten Verletzten zu bergen. Eine irre Kraft die dieser Helikopter hat. Man steht mind. 150m entfernt und man kann die Augen kaum offen halten so sehr tut der Schnee in den Augen weh. Und einen geilen Sound hat die Kiste. Glaube im nächsten Leben werde ich Helikopterpilot!

Ja, das wars zum Safety Kurs…

Hier kommen die Bilder 🙂

Für die Bilder danke an Franzi, Aki und Hanna